Vereint durch die Trennwand

NZZ-Artikel vom 9. 7. 2010

Raucher-Lösung statt Rauch-Erlösung in Österreich

Im Café Hawelka, einer ehemaligen Bohème- und nunmehrigen Touristenhochburg der Wiener Innenstadt, gehört eine gewisse Unaufgeregtheit zum guten Ton. In Georg Danzers bekanntem Lied „Jö schau“ wird schließlich auch einem anonymen Nackten das Bleiberecht im Lokal gewährt – nachdem er sich als „elegantester Flitzer von Wien“ und daher „prominent“ vorgestellt hat.

„Ohne Wäsch’“, wie es im Lied heißt, das geht ja noch, schließlich pfeift man im Hawelka auf die Spießbürgermoral. Aber ohne Zigarette? Da ist auch im Künstlertreff Schluss mit der Gemütlichkeit. Juniorchef Amir hat in den Abendnachrichten vom 1. Juli den „Kampf um die Kultur“ ausgerufen. Er will den 6 x 6 cm großen, roten Aufkleber wieder entfernen dürfen, den er neben der Eingangstür des Cafés anbringen musste und der „Rauchverbot“ bedeutet. Seit Juli müssen Österreichs Gaststätten ab einer Größe von 80 Quadratmetern getrennte Räume für Raucher einrichten oder eben im ganzen Lokal das Rauchen verbieten. Eine Trennwand aufzustellen kommt aber im Hawelka wie in vielen anderen historischen Restaurants und Cafés aus ästhetischen Gründen nicht in Frage. Kleinere Betriebe haben es da leichter: Sie können sich aussuchen, ob geraucht werden darf oder nicht, nur der entsprechende Aufkleber an der Eingangstür muss für Klarheit sorgen.

Man beachte die Farbsymbolik: Geraucht wird in Österreich im grünen Bereich. Rot – also „Gefahr!“ oder „Stopp!“ – kennzeichnet den Nichtraucherraum. Dass sich diese Codes eher nicht an Eltern mit Kleinkindern richten, ist klar. Der Weg durch Österreichs kompliziertes neues Tabakgesetz wurde von Rauchern für Raucher ausgeschildert. Die Handschrift der Nikotinlobby prägt auch den Inhalt des Gesetzes, das seit Juli endgültig in Kraft ist und viel Raum für kreative Interpretationen lässt (z. B.: „Der Nichtraucherraum muss Hauptraum des gastronomischen Betriebs sein. Der Hauptraum kann vom Inhaber selbst festgelegt werden.“). Ausgearbeitet wurde das Gesetz unter der Vorgängerin des amtierenden Gesundheitsministers, Andrea Kdolsky. Deren geradezu dadaistisches Amtsverständnis illustriert ein Kochbuch, das sie als amtierende Ministerin herausgab: Es trägt den schönen Titel „Schweinsbraten & co“.

Ähnlich kohärent wirkt die Vorgangsweise des Gesundheitsministeriums in Sachen Nichtraucherschutz. Eine Ministeriumssprecherin erklärte Kritikern des neuen Gesetzes achselzuckend, die Österreicher seien eben ein „Rauchervolk“. Minister Stöger selbst kann sich ein umfassendes Rauchverbot in der Gastronomie, wie es in zahlreichen europäischen Ländern besteht, nur bei gleichzeitiger Abschaffung der Demokratie vorstellen. Er zitiert dazu eine von ihm selbst in Auftrag gegebene Meinungsumfrage, wonach sich eine Mehrheit der Befragten für Raucherräume in der Gastronomie ausspricht. Die Gleichsetzung von Meinungsumfragen und demokratischen Entscheidungen darf wohl als (gesundheits)politische Bankrotterklärung gewertet werden.

Angesichts der vielen grünen „Du darfst hier rauchen!“-Aufkleber und der andernorts hochgezogenen Trennwände – erlaubt sind als Materialien Glas, Ziegel und Beton –, die viele Lokale nun entstellen, freut sich niemand so recht über die schöne neue Raucherwelt in Österreich. Niemand? Fast niemand. Die Wirtschaftskammer Österreichs, in ihrer Selbstdefinition offenbar die glühende Zigarettenspitze der Tabakwirtschaft, feiert die nun verschärfte räumliche Trennung als „gelungenen Kompromiss für ein funktionierendes Miteinander“. Im Land der anonymen nackten Prominenten wird das wohl seine Logik haben.

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