Zur Abwechslung leichtere Kost aus Paris – hier gehts zum Presse-Schaufenster Artikel über Fauchon.
Die Verpackungsidee kennt man von Tankstellenshops und Autobahnraststätten: Eine praktische Box mit dreieckigem Grundriss, die sich leicht öffnen lässt, schützt ein weiches, diagonal durchgeschnittenes Sandwich beim Transport. Gegessen wird irgendwo, im Stehen oder Gehen, Besteck braucht man keines.
Der Inhalt der schwarzen Schachtel in einer der schönsten Auslagen von Paris ist hingegen unvergleichlich: Es handelt sich um Le club cake forêt noire, eine Schwarzwälderkirschtorte als Fingerfood aus dem Hause Fauchon. Die redesignte Cremetorte ist ein typisches Beispiel für die Experimentierfreude, die den Pariser Luxus-Traiteur zum gastronomischen Mythos hat werden lassen. An dessen Anfang steht der Leiterwagen eines gewissen Auguste Félix Fauchon, der erstmals 1885 Obst und Gemüse aus seiner normannischen Heimat hinter der Pariser Madeleine-Kirche verkaufte. Ein Jahr später eröffnete er einen Feinkostladen, den er kontinuierlich ausbaute und um einen Teesalon, einen Weinkeller und eine Bäckerei erweiterte. Seine Philosophie: Der betuchten Klientel im vornehmen Viertel sollte ganz einfach das Beste aus Frankreichs Provinzen geboten werden, vor allem auch das Neueste.
Die Erben führten die Tradition fort: Die ersten in Paris erhältlichen Kiwis und Avocados gab es selbstverständlich bei Fauchon zu kaufen, sowie Erdbeeren und Kirschen zu Weihnachten – in den fünfziger Jahren, wohlgemerkt. Fauchon ist heute ein Synonym für herausragende Qualität, bei Kaffee und Kuchen genauso wie bei Champagner und Kaviar.
Nach fehlgeschlagenen Franchise-Versuchen in den 90er Jahren besinnt sich das längst weltweit präsente Delikatessenimperium heute wieder demonstrativ auf seine Wurzeln Innovation, Tradition und french touch. Ein Beispiel dafür sind Fauchons Eclairs. Üblicherweise werden die länglichen Brandteigkrapfen mit Schokolade-, Kaffee- oder Vanillecreme gefüllt, eine meist solide, mitunter etwas matschige Angelegenheit. Mit dem traditionellen Gebäck haben die mit jeder Saison wechselnden Kreationen von Chefpatissier Christophe Adam nur Form, Ausgangsmaterial und Namen gemeinsam: Zum Muttertag gab es heuer etwa knallrote Erdbeer-Eclairs, neu sind auch die fruchtigen „Camouflight“-Variationen, die ihre Füllungen aus Weingartenpfirsich oder Roussillon-Marille unter einer weißen Schokoladenglasur mit Tarnmotiven verstecken. In der „sauren“ Abteilung nebenan zeigen getrüffelte Eclairs mit einem Foie-gras-Bonbon, was in der scheinbar altmodischen Mehlspeise alles stecken kann.
Von Grund auf neu erfunden hat Fauchon in den letzten Jahren auch seinen Stammsitz an der Place de la Madeleine, im achten Pariser Arrondissement. Der selige Auguste Félix würde seinen Feinkostladen heute nicht wiedererkennen: Einziges sichtbares Überbleibsel aus vergangenen Zeiten ist das klassisch schwarz-weiße Firmenlogo aus den dreißiger Jahren. Christian Biecher verpasste dem Traditionshaus ein resolut kontemporäres, aber weder kühl noch abweisend wirkendes Aussehen. Neben Schwarz und Weiß ist Magenta-Rosa die dominierende Farbe, sie steht für gourmandise, was man mit Nascherei, Lust am Essen oder Genuss übersetzen kann. Verführerisch ist die darauf abgestimmte Werbelinie: ein magenta geschminkter Kussmund mit einem schwarzweißen Fauchon-Konfekt zwischen den Lippen. Die Assoziation an Kosmetikwerbung ist gewollt: Die Grenze zwischen Delikatessen und Wellness soll bei Fauchon genauso verwischt werden wie die zwischen Exklusivität und Zugänglichkeit. Die Gourmet-Institution versteht sich heute als „Theater des Geschmacks“ und will Lust darauf machen, einfach hereinzuspazieren. Für ständig neue Inszenierungen der edlen Produkte sorgt eine eigene Designagentur.
Vollendet wurde der 2004 begonnene Totalumbau mit der Neueröffnung des Café Fauchon im März 2008. Für die Gestaltung des Cafés galten die gleichen Regeln wie für die Mehlspeisen: Aus traditionellen Zutaten sollte etwas völlig Neues entstehen. Wie ein typisches Pariser Bistro wartet daher auch das neue Café mit Rattansesseln, Lederbänken und kleinen Tischchen auf. Allerdings sind die von Christian Biecher entworfenen schwarzweißen Sessel eleganter und bequemer als die herkömmlichen Bistro-Stühlchen, die Tische sind größer, die breiten Lederbänke glänzen so silbern wie die Decke, das Café ist in magentafarbenes Licht getaucht. Die Speisekarte bietet, wie nicht anders zu erwarten, neu interpretierte französische Klassiker, es finden sich darauf aber auch Gerichte mit ungewöhnlich klingenden Namen wie „Fish & Chic“. Chic ist auch das Snacking, sollte die Küche gerade geschlossen haben: Parmaschinken mit hausgemachten Grissini, Entenleber in einer Hülle aus Trockenfrüchten, oder auch ein Schälchen Sevruga-Kaviar. Den gibt es rund um die Uhr auch in der versilberten Kaviarbar im Traiteur-Bereich, vergleichsweise günstiger sind die Snacks, die in der Bäckerei im Nebenhaus gleich vor Ort gegessen werden können – die ist dafür in Goldtönen gehalten.
Kleinigkeiten kann man auch in der Weinbar im Keller essen, die neben einer fantastischen Weinauswahl einen weiteren optischen Genuss bietet: Den Blick auf die Abteilung mit den Geschenkkörben, die hier je nach Wunsch von einem eigenen Berater gefüllt werden. Den Weg nach draußen machen dann die Schokoladen-Arrangements der Confiserie zum Härtetest für eventuell noch vorhandene gute Vorsätze, und ein letzter, wehmütiger Blick auf die Patisserie-Auslage zeigt, dass sich selbst das eine oder andere vermeintliche Mehlspeisenparadies etwas von der französischen Lust an innovativem Design abschauen könnte: La Pink etwa, eine rosa glasierte Kugel aus weißer Schokolade, die mit einer Mousse aus grüner Zitrone, Marille-Maracuja-Gelee und einem in karibischem Rumpunsch getränkten Mandelbiskuit gefüllt ist. Die auf einem Mandel-Krokant-Sockel stehende Kugel ist nichts Geringeres als eine sommerlich leichte, futuristisch-französische Neuerfindung des Punschkrapfens.
24-26, Place de la Madeleine.
Feinkost, Confiserie, Weinkeller, Café: 30, Place de la Madeleine, 0033/1/70 39 38 00.