crashkurs in katastrophengrammatik

Zeit für Neues: Kathrin Rögglas Essays und Theaterstücke. Keine vergnügliche, aber eine sehr empfehlenswerte Lektüre.

Hier gehts zur Rezension, NZZ vom 18. 06. 13:

 

Georg Renöckl ⋅ «Ohne das Städtische könnte ich nicht schreiben und nicht leben», so die bekennende «Katastrophenfilmgängerin» Kathrin Röggla. Beide Themen – Stadt und Katastrophe – ziehen sich auch als roter Faden durch den Band «besser wäre: keine», welcher Theaterstücke und Essays Rögglas aus den letzten zehn Jahren versammelt. Anhand des Genres «Katastrophenfilm» zeigt die in Berlin lebende Österreicherin den Wandel von Stadt- und Gesellschaftsstrukturen und setzt ihn mit Grossstadttheorien von Simmel bis Foucault in Bezug. Röggla kritisiert die Dominanz der Ökonomie, die die Stadt in einen «Zusammenhang von Ausschlusssystemen» verwandelt und Bürger «zum Kunden befreit», wie auch Patienten oder Arbeitslose. Das Unangenehme daran: «Kunden, die haben ja auch nicht miteinander Sex, ein Kunde, das ist was Aseptisches.»

Die Theaterstücke zwischen den dichten Essays lesen sich wie die Praxis zur Stadt- und Katastrophentheorie. Im 2002 uraufgeführten 9/11-Stück «Fake reports» etwa stehen «präsenzmaschinen», «medienmaschinen» und «mythenmaschinen» auf der Bühne, gemeint sind unter anderem Journalisten, Politiker, PR-Menschen. Diese «sind uns also ähnlich. Sie sind also überfordert». Überforderung ist nicht nur ein Problem der Meinungsbildner und Entscheidungsträger. «besser wäre: keine», so lautet auch das Urteil, das von Röggla interviewte NGO-Mitarbeiter über humanitäre Einsätze abgeben. Diese «Nachhaltigkeitsprofessoren» und «Wassermenschen» wissen genau Bescheid über die oft fehlende Medientauglichkeit von Katastrophen und die Ineffizienz westlicher Hilfsaktionen. Auswege aus der Misere nennen sie nicht. In der Zusammenschau ergeben die bisher verstreut erschienenen Texte Kathrin Rögglas ein stimmiges, naturgemäss trostloses Bild globalen Scheiterns.

Kathrin Röggla: besser wäre: keine. Essays und Theater. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2013. 416 S., Fr. 32.90.

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