Ich war für die NZZ in den Wiener Maria-Theresien-Ausstellungen:
Österreichs ewige Landesmutter
von Georg Renöckl 3.5.2017, 05:30 Uhr
«Einmal haben die Habsburger einen Mann, und dieser ist eine Frau.» Das maliziöse Wort des Preussenkönigs Friedrich über Maria Theresia ist in Österreich nicht vergessen. Der dreihundertste Geburtstag der Landesmutter mit gütig-strengem Antlitz wird heuer in einer Jubiläumsausstellung gefeiert – leider auf vier Orte verteilt.
Die Hosen durfte zwar ihr Mann anbehalten, doch Zepter und Reichsapfel gab sie nicht aus den Händen: Martin van Meytens grossformatiges Gemälde «Franz I. Stephan und Maria Theresia mit elf Kindern» sagt viel über die gar nicht so geheimen Machtverhältnisse im jungen Hause Habsburg-Lothringen.
Noch immer prägt die bisher einzige Frau an Österreichs Staatsspitze das Zentrum der Macht: Ihr ehemaliges Schlafgemach in der Hofburg ist heute das Empfangszimmer des Bundespräsidenten. Neue Regierungen werden stets vor dem lebensgrossen Porträt der Monarchin vereidigt, ohne deren gütig-strenges Antlitz im Hintergrund das Gruppenbild einer frischgebackenen österreichischen Bundesregierung auch im 21. Jahrhundert undenkbar wäre.
«Mater Austriae»
Zum dreihundertsten Geburtstag der grossen Habsburgerin, die Bundeskanzler Figl einst «Mater Austriae» nannte, richten Schloss Schönbrunn und das Kunsthistorische Museum eine umfassende Jubiläumsausstellung aus, die auf vier Schauplätze in Wien und Niederösterreich verteilt ist. Untrennbar ist Maria Theresia mit Wiens Tourismusmagnet Nummer eins verbunden, Schloss Schönbrunn, dessen Umbau vom desolaten Jagdsitz zur kaiserlichen Sommerresidenz unter ihrer Federführung geschah.
Man könnte beim Anstehen in der Kassenhalle des stets gutbesuchten Schlosses darüber ins Grübeln geraten, warum man der oft fälschlich «Kaiserin» Genannten nicht hier, in ihrem Schloss, eine einzige grosse Ausstellung widmet anstatt vier übers Land verstreuter kleinerer; doch sind zum einen die Besucherscharen, die sich den Blick auf das Schlossinventar wohl nicht durch Schautafeln verstellen lassen wollen, eine Erklärung dafür, zum anderen steht man ohnehin in der falschen Schlange.
Der Schönbrunner Teil der Jubiläumsausstellung findet nicht im Schloss statt, sondern in der unmittelbar daneben befindlichen Wagenburg. «Frauenpower und Lebensfreude» ist der Titel dieser Schau, die mit dem erwähnten Familienbildnis Martin van Meytens beginnt und mit einem prachtvollen Tragesessel gleich daneben einen zentralen Aspekt der Regierung Maria Theresias sichtbar macht: «Das für Maria Theresias Zeit paradoxe Phänomen eines ‹schwangeren Herrschers› erforderte spezielle Formen der Repräsentation», formulieren die Ausstellungsmacher.
War die sechzehnfache Mutter gerade nicht schwanger, zählte auch die Reitkunst zu ihren repräsentativen Aufgaben. Maria Theresia erlernte auch diese und löste damit einen Boom des Reitsports bei ihren weiblichen Untertanen aus, die so eine Männerdomäne eroberten. Besonders sehenswert sind in der Wagenburg auch die üppig verzierten Prunk-Schlitten. Sie wurden von Pferden, die mit unzähligen, klanglich aufeinander abgestimmten Schellen behängt waren, winters durch das verschneite Wien gezogen, raffinierten Choreografien folgend. Auch dank gut gemachten Videos vermittelt dieser Teil der Ausstellung zumindest eine Ahnung von der Pracht des barocken österreichischen Hofzeremoniells.
«Schwiegermutter Europas»
Näher an den Leib rückt man der mütterlichen Herrscherin dann im Hofmobiliendepot unweit des Westbahnhofs, wo es um «Familie und Vermächtnis» geht. Der Kindheit, dem Eheleben und der Heiratspolitik der auch «Schwiegermutter Europas» genannten Erzherzogin von Österreich sowie Königin von Böhmen und Ungarn wird anhand zahlreicher Dokumente nachgespürt, wobei ein bewusst ambivalentes Bild entsteht: Ihr selbst hatte ihr Vater, Kaiser Karl VI., die Hochzeit mit ihrer grossen Jugendliebe Franz Stephan von Lothringen gestattet. Die Hochzeiten ihrer eigenen, mit grosser Strenge erzogenen Kinder arrangierte die glücklich Verheiratete aber unnachgiebig nach machtpolitischem Kalkül.
Auch Liebhaber von schönen Dingen kommen im Hofmobiliendepot auf ihre Kosten: Neben manch prachtvollem Stück aus der kaiserlichen Schatzkammer, dem persönlichen «Mundzeug» und Frühstücksgeschirr der Herrscherin wird auch ein «Blumenstrauss» aus Hunderten Diamanten und Edelsteinen gezeigt, den Maria Theresia ihrem geliebten Mann einmal als Überraschung zum Namenstag schenkte.
Auf den ersten Blick paradox mutet angesichts des Kinderreichtums und der familiären Harmonie, die Österreichs Herrscherin umgab, das Bonmot Friedrichs II. von Preussen an: «Einmal haben die Habsburger einen Mann, und dieser ist eine Frau.» Doch die früh als «goldenes Zeitalter» verklärte Epoche Maria Theresias wurde von schweren Kämpfen eingeleitet, als Nachbarn die vermeintliche Schwäche des von einer Frau geführten Habsburgerreichs ausnützen wollten.
Wer sich näher für «Bündnisse und Feindschaften» oder die innerstaatliche Reformpolitik der heftig angefeindeten Monarchin interessiert, muss sich auf den Weg zu den bei Bratislava gelegenen Schlössern Niederweiden und Hof machen. In Wien kann man im Jubiläumsjahr immerhin noch eine neu konzipierte «Maria Theresia Tour» durch die Räume des Schlosses Schönbrunn buchen, die die Jubilarin im fortgeschrittenen Alter bewohnte. Für das Ticket muss man aber wirklich im Schloss anstehen.