Neue Väter braucht das Land

Weiter geht es mit der Väter-Serie, Falter 18/15:

 

Neue Väter braucht das Land

Was ist ein „neuer Vater“? Der Psychotherapeut Gerhard Bruckner ist dem Schlagwort zum ersten Mal im Psychologie-Studium begegnet. In einem Proseminar zum Thema „saßen vor allem Frauen und diskutierten darüber, wer nun bügeln soll“, erzählt Bruckner. „Ich habe mir gedacht: He, das kann es doch nicht sein!“ Fünfzehn Jahre ist das her. Vor kurzem sagte eine Bekannte zu ihm, dass sie sich darüber freue, wenn ihr Mann den Geschirrspüler ausräumt. Ihr Problem: „Ich finde ihn dann nicht mehr sexy.“

Als Oliver Hänel, ein Kollege Bruckners, 2013 Vater wurde, dachte er kaum über Haushaltsgeräte nach. Ihm war klar, dass sich sein Leben gerade fundamental verändert hatte. Er wollte eine Männergruppe gründen, um sich mit anderen jungen Vätern auszutauschen, doch es kam niemand. Kein Wunder: „Männer suchen erst Hilfe, wenn es schon brennt“, weiß Hänel.

„Wir Männer“ heißt die Website, die Bruckner und Hänel gemeinsam betreiben. Sie bieten offene Gesprächsabende zu verschiedenen Themen an, etwa Männerbilder, Aggression, Vaterschaft. Mit ihrem niederschwelligen Ansatz haben sie den Weg zu jüngeren Männern gefunden. Es kommen vor allem Männer um die dreißig – also genau das Alter, in dem viele sich ernsthaft mit der Frage nach Kindern auseinandersetzen.

Kaum ein junger Vater will heute noch den bloßen Familienernährer spielen. Dass sehr viele dennoch in dieses Schema kippen, finden beide wenig überraschend: Es sei normal, in Phasen der Verunsicherung auf bewährte Bilder und Erfahrungen zurückzugreifen. Wer Neues ausprobiert, macht sich verletzlich. Dazu kommt ein handfester wirtschaftlicher Grund: Die nach wie vor bessere Bezahlung von Männern. Auf der Beziehungsebene bringen neue Rollenbilder neue Dynamik in Partnerschaften, aber auch neue Konflikte. Auch die Frauen sind gefordert, ihr eigenes Väterbild zu überdenken. Einfach gesagt: Neue Väter gibt es nicht ohne neue Mütter.

Dass innerfamiliäre Konflikte auf Väter zukommen, die es anders machen wollen als die Generation vor ihnen, erklärt auch der dänische Familientherapeut Jesper Juul: „Du kannst nicht erwarten, dass dir deine Partnerin den Raum gewährt, den du brauchst, um dich als Vater zu bewähren, auch nicht, dass sie dir von sich aus die Verantwortung überlässt“, schreibt er in seinem Buch „Mann und Vater sein“. „Du musst dir als Vater den Raum, den du brauchst, selber nehmen, um eine Beziehung zu deinem Kind entwickeln zu können.“ Manche Kapitel in Juuls Buch sind deckungsgleich mit den Themen der „Wir-Männer“-Runden: Auch bei Juul geht es um die Prägung durch den eigenen Vater, Aggression, Sex, uneingestandene Ängste und hartnäckige Rollenbilder.

Juul sieht die Gesellschaft aber schon einen Schritt weiter: „Der Kampf auf der gesellschaftlichen Bühne vollzieht sich nicht mehr zwischen Mann und Frau, sondern eher zwischen dem androgynen Mann und dem Macho“, meint er. Patentrezept, um die oft widersprüchlichen Anforderungen, denen sich ein junger Vater gegenüber sieht, unter einen Hut zu bringen, gibt es auch bei ihm keines. Am Verhandeln, Sich-verletzlich-machen und oft mühsamen Finden einer eigenen Definition von Vaterschaft führt kein Weg vorbei. Vorbilder und Gleichgesinnte können helfen. Für Juul ist klar, dass Männer das Vatersein „keineswegs von den Frauen lernen können, sondern im Grunde nur von anderen Männern.“

Der Lohn für all die Mühe? „Du kannst dich entscheiden, wieder ein abwesender Vater zu werden, wie wir sie aus der Geschichte zuhauf kennen, oder du entscheidest dich, eine Beziehung zu deinen Kindern einzugehen – und das wiederum bedeutet, dass du die Erfahrung machst, durch deine Kinder genötigt und inspiriert zu werden, als menschliches Wesen zu wachsen und dich weiterzuentwickeln“, so Juul.

Klingt schön, aber auch etwas abstrakt. Anschaulicher wird es, wenn man sich das Projekt „Swedish Dads“ des Fotografen Johan Bävman ansieht (www.johanbavman.se). Zu sehen sind ganz einfach Männer, die sie sich gerade um ihre kleinen Kinder kümmern. Ähnlich wie in Österreich müssen in Schweden zwei der staatlich vorgesehenen 16 Karenzmonate vom Vater in Anspruch genommen werden, sonst verfällt das entsprechende Kindergeld.

Bävmans Bilder fangen die anstrengende Schönheit des Vaterseins trotz allem Rotz und Lulu auf eine Weise ein, die klar macht: die anderen versäumen viel. Die prägnanteste Zusammenfassung dessen, was einen „neuen“ Vater ausmacht, liefert übrigens der von Bävman fotografierte 31-jährige Jonas Feldt. Er begründet seine längere Karenzzeit schlicht mit: “I don’t just want to be the fun parent.”

 

www.wir-maenner.at

Jesper Juul: Mann und Vater sein. Hg. v. Ingeborg Szöllösi. Freiburg: Kreuz-Verlag 2011. 200 S., € 14,99

www.johanbavman.se

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