Faule Väter dringend gesucht

Hier die Langform eines Artikels aus dem Falter 14/15 – Väter sollen da nun ein alle vier Wochen wiederkehrendes Thema werden:

 

Faule Väter dringend gesucht

 

„Haben Sie Kinder in Österreich, der Schweiz oder in einem EU/EWR-Staat erzogen?

      Ja        Nein

Hinweis für männliche Versicherte: Anspruch auf Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung hat vorrangig die weibliche Versicherte. Wenn jedoch Sie selbst das Kind (die Kinder) überwiegend erzogen haben, beantworten Sie bitte obige Frage.“

So steht das auf dem Pensionskonto-Fragebogen der PVA. Als ich ihn vor einigen Monaten bekommen habe, war ich ratlos. Abgesehen von den semantischen Spielräumen, die der Ausdruck „überwiegend erzogen“ eröffnet: Was macht ein Vater, der seine Kinder nicht „überwiegend erzogen“ hat? Die Frage ignorieren? Dann bräuchte es kein „Nein“-Kästchen. Dieses ankreuzen und damit die eigenen Kinder offiziell verleugnen? Ich habe „Ja“ angekreuzt und handschriftlich „50:50 mit meiner Frau“ hinzugefügt. Ein Foto dieses heroischen Aktes zivilen Ungehorsams twitterte ich an meine 50 Follower, wartete eine Weile vergeblich auf Antwort der PVA und dachte bald nicht mehr an die Angelegenheit.

Nach dem Durchsehen einiger Statistiken muss ich zugeben: Der PVA-Hinweis hat zwar wenig mit Logik, aber viel mit der österreichischen Realität zu tun. Nur 4,2 Prozent aller Kinderbetreuungstage werden laut „Joanneum Research“ von Männern in Anspruch genommen. Diese gehen zwar häufiger in Karenz als früher, aber meist zu kurz, um am Ungleichgewicht etwas zu ändern. Und sie gehen kaum in Elternteilzeit: „Arbeitszeitmodelle, die auf eine Haupterwerbstätigkeit der Frau oder Teilzeiterwerbstätigkeiten beider Partner abzielen, wurden in weniger als 10% der österreichischen Partnerschaften mit Kindern unter 15 Jahren im selben Haushalt gelebt“, so die Statistik Austria. 90 Prozent der Väter arbeiten also Vollzeit und können daher ihre Kinder gar nicht „überwiegend“ oder wenigstens zu gleichen Teilen mit den jeweiligen Müttern erziehen. 1:0 für die PVA. Die „neuen Väter“ mit Baby im Tragetuch sieht man am Yppenmarkt, aber nicht in der Statistik.

„In der Privatwirtschaft geht das nicht anders“, bekommt man als Kritiker dieser Situation zu hören, oder es kommt das Totschlagargument von der Teilzeitarbeit als Armutsfalle. Es geht im Grunde also um Angst, was durchaus verständlich ist: Die Karriere kann einen Knick bekommen, wenn ein Vater mehr Familienzeit einfordert. Ein Freund von mir hat nach der Rückkehr aus der Karenz tatsächlich den Job verloren. Aber haben wirklich 90 Prozent der Väter derart engstirnige Rausschmeißer als Vorgesetzte? Was nur wenige zugeben: Nicht jeder will es so genau wissen. Morgens dafür sorgen, dass alle ordentlich angezogen, mit Frühstück im Bauch, geputzten Zähnen und pünktlich in die Schule oder den Kindergarten kommen, auch wenn dem Jüngsten im letzten Moment die Windel überquillt oder die Mittlere schlecht geträumt hat und getröstet werden muss, später die Küche säubern, sich um Wäsche und Geschirr kümmern, das Chaos vom Vortag im Kinderzimmer beseitigen, und dann muss gleich wieder irgendwer abgeholt und zum Kinderarzt oder in die Flötenstunde gebracht werden – ja, Sisyphos darf man sich als glücklichen Menschen vorstellen, weil der immerhin nur einen Stein einen Berg hinaufrollen muss, und der quengelt, schreit und stinkt nicht.

Wer in der Früh lieber ins Büro und abends in die rechtschaffene Müdigkeit flieht, versäumt aber nicht nur jede Menge Stress ohne Statusgewinn. Die Gewissheit, im Leben seiner Kinder eine greifbarere Rolle zu spielen als die ziemlich abstrakte des Geldbeschaffers, ist ein herrliches Gefühl. Außerdem erwischt man im gemeinsamen Alltag deutlich mehr von den magischen Momenten, in denen ein Blick oder ein Wort des Kindes genügt, damit einen das Elternglück bis in die Zehenspitzen durchrieselt. Doch mehr Zeit fürs Vatersein herauszuschlagen braucht Mut: Beim Verhandeln mit veränderungsresistenten Chefs und Kollegen, aber auch beim Bändigen des inneren Schweinehunds, der nach sozialer Anerkennung hechelt.

Moralische Unterstützung liefert Tom Hodgkinsons wunderbarer „Leitfaden für faule Eltern“. „Wir arbeiten beide so wenig wie möglich, vor allem, solange die Kinder noch klein sind“, heißt es dort gleich zu Beginn. Die bestechende Begründung: „Ihre Arbeit, fürchte ich, ist nicht besonders wichtig und ganz gewiss nicht so wichtig oder so freudvoll wie die Aufgabe, Ihren Kindern die ersten Lebensjahre so schön wie möglich zu gestalten.“

Dem ist wenig hinzuzufügen, außer, dass es schlicht auch eine Frage der Gerechtigkeit gegenüber den Müttern ist, wenn Väter ihre Arbeitszeit zugunsten von Haushalt und Kindern reduzieren. „Mutterschaft ist keine Funktion. Und sie sollte kein Vollzeitjob sein. So viel Bemutterung brauchen Kinder nicht“, so Hodgkinson. Eben. Etwas mehr Bevaterung, als sie derzeit im Schnitt bekommen, würde unseren Kindern aber guttun.

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