Ein Ausstellungsbesuch für die NZZ:
Mira Lobe und Susi Weigel im Wien-Museum
Und wer nicht hingeht, der ist dumm, bumm!
5.1.2015, 05:30 Uhr
Mit einem Himmel voller Bücher beginnt die Sonderausstellung im Wien-Museum: An Schnüren befestigt baumeln sie gleich nach dem Eingang von der Decke, 77 Stück, Kindheitserinnerungen mit Madeleine-Effekt für die einen, zu entdeckendes Neuland für die anderen. Eltern wie Nachwuchs fällt es sichtlich schwer, an den „Yayas in der Wüste“ oder an „Flitz der rote Blitz“ vorbeizugehen, ohne wenigstens einen Blick hineingeworfen zu haben. Wer nicht selbst lesen will oder kann, der legt sich gleich daneben auf eine große, ebenfalls hängende Matratze, aus deren Inneren eine Lesung aus „Valerie und die Gutenachtschaukel“ erklingt. Ein schöner Einstieg in eine Ausstellung, die für Kinder und Erwachsene gleichermaßen attraktiv ist: Zu Mira Lobes hundertstem Geburtstag widmet das Wien Museum der bekanntesten österreichischen Kinderbuchautorin und ihrer kongenialen Partnerin, der Illustratorin Susi Weigel, eine Sonderschau. Mit über einer Million verkaufter Exemplare ist „Das kleine Ich bin Ich“ (1972) das erfolgreichste Werk des Duos, dessen „Mira-Susi-Bücher“ ab den 1950er Jahren die österreichische Kinderbuchlandschaft prägten wie sonst niemand.
Ob es nun um das titelgebende bunte Fantasietier auf Identitätssuche geht, um den freundlichen Stoffzipfelmann „Bimbulli“, den großzügigen „Apfelbaum“ oder eine mutige Katze, die auch unbeliebten Tiere nach einer Überschwemmung mit ihrem schwimmenden Baumstamm zu Hilfe eilt („Komm, sagte die Katze“) – wie ein roter Faden zieht sich der Kampf gegen Argwohn und Abwertung, mit denen anders Aussehende, Denkende oder Lebende konfrontiert sind, durch das Werk des Autorinnenduos. Gekämpft wird dabei nie mit dem erhobenen Zeigefinger, dafür mit einem Wort- und Bildwitz, der heute noch sprüht, in der Entstehungszeit der Bücher aber geradezu unerhört war. A propos roter Faden: Kennengelernt hat sich das Duo 1950 im besetzten Nachkriegs-Wien, bei der kommunistischen Kinderzeitung UZ („Unsere Zeitung“). Mira Lobe, als Hilde Mirjam Rosenthal im preußisch-niederschlesischen Teil der Oberlausitz geboren und 1936 nach Tel Aviv geflohen, kam erst mit 37 Jahren nach Wien, wo ihr Mann als Regisseur Arbeit fand. Sowohl die Lebensgeschichten als auch die ungewöhnliche Arbeitsweise der später weit voneinander entfernt lebenden Autorinnen werden in der Ausstellung genau nachgezeichnet, doch machen Hör- und Kuschelecken, Originalskizzen und –zeichnungen, eine Schreibmaschine zum Ausprobieren und nicht zuletzt eine Bastelstation die Ausstellung bei aller Informationsdichte auch für Kinder vergnüglich. Für Erwachsene nicht minder: Das gummierte Buntpapier, das in „Hannes und sein Bumpam“ (1961) zur Phantasiewelt zurechtgerissen und -geklebt wird, gibt es tatsächlich noch. Natürlich stehen Schwämme zum Befeuchten zur Verfügung – es schmeckt aber noch genauso gut wie damals.
Ich bin ich. Mira Lobe und Susi Weigel. Sonderausstellung bis 1. März 2015. Wien Museum am Karlsplatz, 1040 Wien. www.wienmuseum.at