Mut zu großen Entscheidungen

Für eine Falter-Beilage zur Stadtentwicklung habe ich mit Maria Vassilakou gesprochen: 

Mut zu großen Entscheidungen

Seit 2010 ist Maria Vassilakou Wiener Stadträtin für Verkehr und Stadtentwicklung. Nach ihrem Rücktritt erklärt sie hier, welche Herausforderungen in der Stadt der Zukunft warten

INTERVIEW: GEORG RENÖCKL | STADTENTWICKLUNG | aus FALTER 49/18 vom 05.12.2018

 

„Die Wiener Verkehrspolitik ist ein Wagen mit 24 Lenkrädern, der nicht immer schnell vorankommt.“ Maria Vassilakou, Wiener Vizebürgermeistern

„Mit der 365-Euro-Jahreskarte haben wir in zwei Jahren so viel bewegt wie andere Städte in einem Jahrzehnt“

MARIA VASSILAKOU, WIENER VIZEBÜRGERMEISTERIN

Frau Vassilakou, Wien profitiert heute noch von strategischen Entscheidungen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert wie der Hochquellenleitung oder den Gemeindebauten. Können Sie eine Ihrer Entscheidungen nennen, über die man in hundert Jahren noch froh sein wird?

Maria Vassilakou: Was unsere jetzige Zeit mit der Jahrhundertwende vergleichbar macht, ist das rasante Wachstum der Städte. Das bringt viele Herausforderungen mit sich. Wir können den Verkehr nicht mehr so organisieren wie in der Vergangenheit. Eine Person, ein Auto -diese Regel gilt nicht mehr. Insofern denke ich, dass meine Zeit als Stadträtin als jene Zeit in Erinnerung bleiben wird, in der wesentliche verkehrspolitische Weichenstellungen vorgenommen wurden. Mit der 365-Euro-Jahreskarte haben wir in zwei Jahren so viel bewegt wie andere Städte in einem Jahrzehnt, das zeigt der Modal Split. Zum anderen haben wir begonnen, die Straße anders zu denken, nämlich als Raum, in dem sich städtisches Leben entfaltet, und nicht bloß als Raum, der nur den Autos gehört.

Woran erkennt man das? Nach wie vor sind sechzig Prozent des öffentlichen Raums in Wien dem motorisierten Verkehr vorbehalten, viel mehr als in vergleichbaren Städten.

Vassilakou: Meine ersten Projekte zogen sehr viele Kontroversen nach sich – Sie erinnern sich an die Mariahilfer Straße. Damit ist nicht bloß ein Stein ins Rollen gekommen, da ist schon viel mehr in Bewegung, wenn auch noch keine Lawine: Die Herrengasse ist ohne Diskussionen umgesetzt worden, die Rotenturmstraße steht vor der Umsetzung. In allen Bezirken gibt es Initiativen, die sich Verkehrsberuhigung wünschen. Das heißt, es hat sich etwas in den Köpfen getan.

Als Sie 2010 Stadträtin für Stadtentwicklung und Verkehr geworden sind, mussten Sie mit dem neuen Hauptbahnhof gleich eine gerade begonnene Baustelle Ihres Vorgängers übernehmen, an der Sie nichts Grundlegendes mehr verändern konnten. Auch die Seestadt Aspern war kein „grünes“ Projekt. Welche Entscheidungen treffen Sie derzeit für Ihre Nachfolgerin? Hart formuliert: Sind Danaergeschenke dabei?

Vassilakou: Das liegt im Auge des Betrachters bzw. der Nachfolgerin. Mit dem Nordbahnhof hinterlassen wir ein Projekt, das zeigt, was grüne Stadtentwicklung kann, also grüne Best-Practice, weil es mit Partizipation von Anfang an entstanden ist. Sonst wird sich meine Nachfolgerin natürlich mit dem Hochhaus am Heumarkt auseinandersetzen müssen. Diese Kontroverse wird sich nicht in Wohlgefallen auflösen in dem Moment, in dem ich nicht mehr Stadträtin bin.

Von großen Projekten zum alltäglichen Klein-Klein. Ein wichtiger Punkt Ihrer Bilanz ist die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung. In vielen betroffenen Vierteln wird der gewonnene Platz nicht für eine Neugestaltung des Straßenraums, sondern weiter zum Parken genützt.

Vassilakou: Alle Experten und Verkehrsplaner bescheinigen uns, dass das Minimieren des Parkens an der Oberfläche der beste Weg ist, den öffentlichen Raum zurückzugewinnen. Ein Blick auf andere Städte zeigt, dass das mit großem Erfolg umgesetzt werden kann. In der Wiener Wirklichkeit sind jedoch Parkplätze die teuerste Währung. Egal, bei welchem Straßenprojekt: Die erste Frage ist nicht, wie viel Geld, sondern wie viele Parkplätze es kostet. Die Parkraumbewirtschaftung ist der vernünftige Mittelweg, um das Parken auf der Straße zu belassen, aber auch aufzuzeigen, dass wir gar nicht so viel Raum zum Abstellen von Autos brauchen, wie viele glauben.

Warum werden nach wie vor Parkplätze auf Gehsteige gepinselt?

Vassilakou: Das verstehe ich auch nicht. Hier ist die Bezirkspolitik gefordert. Verkehr ist in Wien eine dezentralisierte Materie. Das heißt, die Entscheidung, wie viele Parkplätze es wo gibt, ist eine Bezirksentscheidung. Mir fiele sehr viel ein, was ich in diesem Bereich gern machen würde, aber ich darf das gar nicht.

Zu Beginn Ihrer Amtszeit haben Sie gesagt, Wien habe ein Governance-Problem. Bei vielen Entscheidungen reden unterschiedliche Magistratsabteilungen mit, die nicht immer gut kooperieren. Dann gibt es noch die Wiener Linien sowie die Bezirke. Ist dieses Problem kleiner geworden?

Vassilakou: Meine internationale Erfahrung hat mich tatsächlich gelehrt, dass es keine Stadt ohne ein solches Governance-Problem gibt. Alle wesentlichen Aufgaben, denen wir uns stellen müssen, etwa im Bereich Klimaschutz, werden durch komplizierte und kontraproduktive Strukturen massiv verlangsamt. Die Wiener Verkehrspolitik ist ein Wagen mit 24 Lenkrädern, der nicht immer schnell vorankommt. Andererseits hilft die beste Struktur gar nichts, wenn sich die Menschen dahinter nicht wirklich riechen können. Vertrauensbeziehungen sind ein guter Weg, die größten Governance-Probleme zu überwinden. Die Zusammenarbeit mit den Bezirken ist im Lauf der Jahre besser und entspannter geworden. Es geht also schon einiges weiter. Ein Beispiel für komplizierte Strukturen und mögliche Vereinfachungen: Es gab heftige Kritik an der Währinger Bezirksvorsteherin, da sie einen anstehenden Tausch von Wasserrohren dazu nützte, auch gleich die Oberfläche der Währinger Straße umzugestalten. Dabei ist eine solche Bündelung von Maßnahmen in anderen Städten sogar verpflichtend vorgesehen, etwa in Paris, wo jede Straße im Zuge von Sanierungsarbeiten auch gleich fahrradfreundlicher gestaltet werden muss. Warum gibt es in Wien keinen solchen Automatismus?

Vassilakou: Im Gegensatz zu Paris hat Wien wenige breite Boulevards, es gibt oft wirklich Platzprobleme. Wir stehen oft vor dem Dilemma, ob man begrünen oder die Situation für Radfahrende verbessern soll. Eine Lösung dafür sind Radstraßen, die den Radverkehr aus dem Bezirk kanalisieren. Dazu kommt, dass in Wien tatsächlich viel mehr Einbauten als in anderen Städten vorhanden sind. Es gibt viel weniger gemeinsame Kanäle und Schächte als woanders. Das macht die Begrünung so schwierig. Das Ausmaß der Versiegelung ist für Wien ein echtes Problem.

Ist ein Ausbau der Shared Mobility, wo Wien im europäischen Vergleich hinterherhinkt, eine Lösung für die Platzprobleme der Stadt?

Vassilakou: Historisch ist Wien eine der ersten Städte, die darauf gesetzt haben. Das Leihradsystem wurde in Wien erfunden. Auch die Carsharing-Initiativen wurden von uns unterstützt. Ich denke, der wirklich große Sprung wird aber mit den autonom fahrenden Autos kommen. Man muss das Auto dann nicht mehr lenken und auch nicht mehr abstellen, nur noch bestellen -und es kommt. In dem Moment, da das gang und gäbe ist, werden unzählige Börsen auftauchen, die das Teilen mit anderen ermöglichen, die denselben Weg haben. Das wird nicht nur den Verkehr, sondern auch das Erscheinungsbild der Städte komplett verändern, weil man dann an der Oberfläche keine Parkplätze mehr braucht – und vor allem wesentlich weniger Autos, als das jetzt der Fall ist.

Sie haben vor Jahren Projekte für die Zukunft der Ringstraße präsentiert, die sehr ambitioniert waren: von Begegnungs-bis zu Fußgängerzonen. Was ist daraus geworden?

Vassilakou: Der Ring ist der schönste Boulevard, den wir haben. Gleichzeitig ist er eine Stadtautobahn, auf der täglich so viele Autos fahren wie über den Brenner. Er erfüllt also nach wie vor eine wesentliche Verbindungsfunktion. Davon rühren die massiven Widerstände gegen eine Neugestaltung her. Ich werde aber nicht aufhören, davon zu träumen, dass der Ring in nicht zu ferner Zukunft neu gestaltet wird.

Die Projekte haben gezeigt, was möglich wäre. Pragmatisch müsste man mit den Vorplätzen von Institutionen beginnen, etwa dem Burgtheater. Die Nebenfahrbahn davor, die de facto zu einem Radweg umfunktioniert worden ist, zerschneidet den Raum. Auch vor der Uni Wien könnte ein schöner Vorplatz entstehen. Man hat aber nur begrenzte finanzielle Möglichkeiten und begrenzte Unterstützung. Für den Ring gab es keine, auch nicht vom Koalitionspartner.

Zentrale Plätze der Stadt sind nach wie vor Parkplätze. In Paris ist man gerade dabei, die Plätze völlig neu zu denken. Stadt und Bezirke haben den Raum, der dem motorisierten Verkehr vorbehalten ist, halbiert, und lassen jetzt die Bürger planen, was mit dem gewonnenen Platz passieren soll. Wäre so etwas auch in Wien möglich?

Vassilakou: Jedes Beteiligungsverfahren ist besser als das vorangegangene, da wir dazulernen. In Wien war die Mariahilfer Straße das erste solche Projekt, das mit Bürgerbeteiligung gemacht wurde. Deshalb ist sie schön und alltagstauglich geworden: Die Wassertische und das Fahrradfahren haben die Bürger entschieden. Der Schwedenplatz war das nächste Projekt. Dort hat die Bürgerbeteiligung alle besonderen Elemente herausreklamiert, etwa die Wasserfontänen, über die ich mich sehr gefreut hätte. Die Rotenturmstraße ist aktuell das nächste solche Projekt für Wien.

Das deckt sich mit Pariser Erfahrung. Dort hat man festgestellt, dass die Mitarbeit der Bürger die Projekte viel billiger macht, da die Menschen realistische Wünsche äußern und sich keine Denkmäler setzen wollen.

Vassilakou: Auch wir sehen, dass Bürgerbeteiligung die Projekte für die öffentliche Hand günstiger macht. Inwieweit es dann auch ein ausgewogenes Angebot für alle Altersklassen gibt, ist noch offen. Fix ist: Weltweit lernen Städte derzeit mit wechselnden Erfahrungen, mit Bürgerbeteiligung zu arbeiten.

Österreich ist eines der wenigen Länder mit Amtsgeheimnis. Entscheidungen fallen in Gremien, von denen die Bevölkerung per Gesetz gar nicht informiert werden darf. Macht die fehlende Transparenz die Bürger nicht verdrossen?

Vassilakou: Ja, das führt zu Frustrationen. Viel Frust hängt aber auch mit fehlendem Wissen darüber zusammen, wie Entscheidungen zustande kommen. Etwa wenn alte Widmungen zu einem bestimmten Zeitpunkt vom Besitzer genutzt werden. In der deutschen Verfassung steht der Satz „Eigentum verpflichtet“. Bei uns gibt es das nicht, Eigentümerrechte werden traditionell stark geschützt. Als Politiker ist man oft mit wütenden Bürgern konfrontiert, die nichts davon wissen wollen, dass es einen Unterschied zwischen einem neuen Widmungsverfahren gibt und einer Baubewilligung auf Basis einer alten Widmung. Wenn Fakten immer weniger eine Rolle spielen, leben immer mehr Menschen in Paralleluniversen. Das rüttelt an den Säulen der Demokratie. Demokratie braucht Transparenz, aber auch den aktiven Willen zur Konsensfindung, zum Kompromiss. Sowie das Akzeptieren von Fakten. Derzeit erleben wir, dass alle drei Säulen recht wackelig werden.

Braucht es mehr symbolische Aktionen, an denen Bürger sich aktiv beteiligen können? Vor der Umgestaltung der Place de la Nation in Paris wurden Hunderte Spitzhacken verteilt, mit denen Anrainer den Asphalt beseitigt haben, das war eine Riesenparty und ein Hauch Sturm auf die Bastille. In New York haben Bürger eine Million Bäume gepflanzt. Warum machen wir das nicht?

Vassilakou: New York ist ein super Beispiel. Da sind in den letzten Jahren ganz ohne Spitzhacken, aber mit Farbkübeln jede Menge Mini-Plazas entstanden. Und ja, Wien würde zehntausend Bäume zusätzlich vertragen. Da könnte man gemeinsam mit den Bürgern ein Netzwerk aus grünen Boulevards über die Stadt ziehen. Das wäre tatsächlich eine Jahrzehnt-, wenn nicht eine Jahrhundertentscheidung. Denn wir sprechen dabei von einer Infrastruktur, die mit einer U-Bahnlinie vergleichbar ist, was die Signifikanz, aber auch den Aufwand betrifft.

Und diese Entscheidung könnten Sie nicht treffen?

Vassilakou: Es braucht im Hinblick auf die nächsten Jahrzehnte den Mut zu großen Entscheidungen. Wenn ich das mit der Jahrhundertwende vergleiche, sehe ich, dass wir wieder vor einer Epoche stehen, wo man Milliarden in den öffentlichen Verkehr investieren müsste, um das Umland und die Randlagen besser zu verbinden. Mit der Entscheidung, Tausende Bäume zu setzen, würde man das Stadtbild, aber auch das Stadtklima entscheidend zum Besseren verändern. Würde man in jedem Bezirk ein verkehrsberuhigtes Bezirkszentrum entstehen lassen, könnte ein neues Zeitalter beginnen.

Wie setzt man diese Visionen um?

Vassilakou: Indem man es macht. Zweifelsohne sind das Projekte, die für ihre Umsetzung visionäre Persönlichkeiten, aber auch breite Mehrheiten brauchen. Ich vermute, dass es schwierig sein wird, Mehrheiten für verkehrsberuhigte oder autofreie Zentren zu finden. Zehntausend Bäume? Das geht wahrscheinlich leichter. Am Ende ist das eine Frage der finanziellen Prioritäten.

In Neubaugebieten wie Aspern oder dem Nordbahnviertel versucht man wie einst in der gründerzeitlichen Stadt, belebte Erdgeschoßzonen zu schaffen. Die sind mittlerweile oft schon ziemlich ausgestorben. Wie bringt man das Leben in die Erdgeschoßzonen zurück?

Vassilakou: In den Gründerzeitvierteln hat man eine der robustesten Strukturen der Menschheit, den gründerzeitlichen Block. Gründerzeitbauten sind in der Erdgeschoßzone unglaublich flexibel nutzbar.

Dort wurden in letzter Zeit aber unzählige Garagen eingebaut.

Vassilakou: Man muss die Autos wieder aus den Erdgeschoßen herausholen und die Innenhöfe entsiegeln und begrünen. Und die Mietpreisentwicklung in den Griff kriegen. Die galoppierenden Mieten sorgen für eine Entmischung. Mich besorgt diese Entwicklung. Die Frage, die man sich stellen muss, lautet: Wie kann man es für Hausbesitzer attraktiver machen, die Erdgeschoße zu vermieten?

Glauben Sie wirklich, dass aus den Garagen jemals wieder etwas anderes werden wird?

Vassilakou: Die Stadt hat schon einige Hebel, um Entwicklungen auszulösen. Wir sind jetzt bei Überfahrtsbewilligungen schon sehr restriktiv. Auch bei Sanierungen gibt es Hebel. So könnte man bei Sanierungsprojekten die Verpflichtung auferlegen, den Innenhof zu entsiegeln und die Geschäftsfläche im Erdgeschoß wieder zu öffnen.

„Man könnte“ – das klingt nicht sehr konkret.

Vassilakou: Sagen wir: Man sollte. Eine Verpflichtung zur Entsiegelung, Begrünung und Wiederherstellung von Geschäftslokalen mag heute noch revolutionär oder radikal klingen. Vor wenigen Jahren war es aber auch noch undenkbar, die Abrisse von Altbauten zu stoppen, wie wir das jetzt endlich eingeführt haben.

Die neue Bauordnung hat aber auch dafür gesorgt, dass vor ihrem Inkrafttreten noch viele Häuser aus der Gründerzeit abgerissen wurden.

Vassilakou: Das zeigt vor allem, was ohne diese Änderung in den nächsten ein, zwei Jahren heimlich, still und leise abgerissen worden wäre. Wenn wir noch einmal auf die wesentlichen Dinge kommen, die ich im Sinne der Stadt erkämpft habe, würde ich diesen Punkt nennen. Das ist eine der größten strukturellen Veränderungen, die wir erreicht haben.

Wie verdichtet man die Stadt, ohne sie kaputt zu machen?

Vassilakou: Platz ist in der Stadt das wertvollste Gut. Wir müssen überprüfen, wo es Potenzial für Aufstockungen gibt. Das gelingt derzeit unterschiedlich gut. Es lohnt sich, den Blick auf andere Städte zu werfen. Barcelona oder Paris sind interessante Beispiele. Zu diesem Thema ist die internationale Vernetzung wichtig.

Fehlt die Wien nicht gerade?

Vassilakou: Im vergangenen Jahrzehnt war Wien sehr zurückhaltend, wenn es um internationales Commitment ging. Auch weil das mit Kosten verbunden ist. In der Ära des neuen Bürgermeisters wollen wir diese Haltung hinterfragen, internationale Netzwerke evaluieren und sehen, was für uns Sinn macht.

Die Verantwortlichen in Basel und Heidelberg berichten über sehr gute Erfahrungen im Netzwerk C-40, das von Megacities gegründet wurde. Mittlerweile nehmen auch kleinere Städte teil, weil sie ihr Know-how einbringen können, andererseits aber auch sehr viel von den Treffen mitnehmen.

Vassilakou: Viele in der Wiener Administration meinen, dass es vor allem die anderen Städte sind, die sich von uns etwas abschauen können. Netzwerke bringen Inspiration und jede Menge innovativer Ideen, mit denen man nach Hause kommt. Natürlich profitieren andere von unseren Erfahrungen, etwa von der 365-Euro- Jahreskarte. Umgekehrt ist es wichtig zu sehen, was andere Städte an Anstrengungen unternehmen, um neue Technologien voranzutreiben oder mehr Verkehrsberuhigung zu erreichen, den Radverkehr oder das Zu-Fuß-Gehen zu forcieren -da ist auch für Wien noch Luft nach oben.

Bei der Planung neuer Stadtteile setzt Wien auch auf Hochhäuser. Für Stadtplaner Jan Gehl, dem zufolge städtisches Leben das menschliche Maß braucht, zerstören Hochhäuser diese Form von Urbanität.

Vassilakou: Ich habe unendlich viel von Jan Gehl gelernt und werde das weiterhin tun. In diesem Punkt bin ich nicht ganz seiner Meinung. Ich halte eine gewisse Vertikalität für gut verträglich. Vancouver zeigt uns, dass es die Möglichkeit gibt, Hochhäuser zu bauen und dennoch den menschlichen Maßstab nicht aus den Augen zu verlieren: Nämlich indem der von der Straße aus sichtbare Sockel die gewohnten drei bis vier Stockwerke nicht übersteigt und das Hochhaus nach hinten versetzt ist.

Die Stadt wird nicht nur dichter, ihre Bewohner werden auch älter. Was bedeutet das für die Planung?

Vassilakou: Das bedeutet Bedarf nach noch besseren Mobilitätsangeboten, nach belebten Erdgeschoßen, fußläufig erreichbarer Infrastruktur, viel Grün und verkehrsarmen Stadtteilen. Mein Leitprinzip lautet: Eine Stadt, die gut ist für Kinder, ist gut für jede Generation. Das ist die Richtschnur für die Stadtentwicklung der nächsten Jahre.

 

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