Frauennetzwerke für das Klima

Weltweit leiden Frauen stärker unter den Folgen des Klimawandels als Männer. Doch längst steigt auch ihr Einfluss bei seiner Bekämpfung – dank Vernetzung.

Naturkatastrophen töten nicht wahllos. Viermal mehr Frauen als Männer starben etwa durch den verheerenden Tsunami in Südostasien im Jahr 2004. Die grausame Logik dahinter: Zuerst kommen diejenigen dran, denen das Wasser ohnehin schon bis zum Hals steht. Wer prekär wohnt, schlecht verdient, sich auf kein gutes Sozialsystem verlassen kann und ganz allgemein über geringe Ressourcen verfügt, ist vulnerabler. Erschreckend häufig sind das Frauen.

Der Klimawandel macht keine Ausnahme von der katastrophalen Regel. In den jetzt schon besonders stark betroffenen Ländern des globalen Südens stehen Frauen oft ganz unten auf der sozioökonomischen Statusleiter – mit entsprechenden Konsequenzen. Dass der Klimawandel und seine Auswirkungen die Ungleichbehandlung der Geschlechter verschärfen, ist spätestens seit dem UN-Klimagipfel von 1992 in Rio de Janeiro eine auch offiziell anerkannte Tatsache.

Nicht (nur) Opfer, sondern Akteurinnen

Frauen sind aber nicht nur als Opfer besonders von der Erderwärmung betroffen. Auch die weltweiten Proteste für mehr Klimaschutz haben vor allem weibliche Gesichter: Sehr junge, wie die Fridays-for-Future-Ikone Greta Thunberg, aber auch deutlich ältere wie die mittlerweile 84-jährige Jane Fonda. Diese lenkte in der jüngeren Vergangenheit durch regelmäßige Verhaftungen wegen illegaler Demonstrationen die Aufmerksamkeit auf fehlende Klimagerechtigkeit.

Auch in der Politik sind es häufig Frauen, die den Kampf gegen den Klimawandel und die Bewältigung seiner Folgen vorantreiben. „Ich kann handeln. Ich handle“ – so schlicht erklärt etwa die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo die Konsequenz, mit der sie in ihrer Stadt gegen massive Widerstände eine klimafreundliche Mobilitätspolitik durchgesetzt und damit für weltweites Aufsehen gesorgt hat. Ihre Begründung dafür: „[D]ie erste der großen Herausforderungen für die Stadt Paris, diejenige, die sich auf alle anderen auswirkt, ist der Klimawandel.“ Wurde sie zu Beginn ihrer Amtszeit für ihre Vision eines fußgänger-und radfahrerfreundlichen Paris noch belächelt, ist den Spöttern das Lachen längst vergangen. Die Pariser Verkehrswende gilt heute als internationales Vorzeigemodell.

Das Netz der Megacities

Die 1959 als Tochter spanischer Immigranten geborene Politikerin verfügt nicht nur über Stehvermögen, sie ist auch eine geschickte Netzwerkerin. 2016 wurde sie Präsidentin des Städtenetzwerks C40, das 2005 als Bündnis der zwanzig weltgrößten Metropolen mit dem Ziel gegründet worden war, gemeinsam Maßnahmen im Umgang mit dem Klimawandel zu entwickeln und durchzusetzen. Nach einem Jahr waren bereits vierzig Megacities vernetzt, heute besteht C40 aus 97 Städten mit insgesamt etwa 700 Millionen Einwohnern, die ein Viertel des weltweiten BIP erwirtschaften. Das Netzwerk dient dem Austausch von Best Practice-Modellen, stärkt aber auch die Verhandlungsposition der Städte: Als im Herbst 2019 die Bürgermeister von Los Angeles, Mexiko, Paris, London und acht weiteren Metropolen beschlossen, ihre Busflotten ab 2025 ausschließlich mit emissionsfreien, also elektromobilen Fahrzeugen nachzurüsten, veränderte der in Paris abgehaltene Bürgermeistergipfel auf einen Schlag das Mobilitätsverhalten von über 30 Millionen Menschen – und setzte die Industrie unter Zugzwang.

Es kommt nicht nur auf die Größe an

„Auf nationalstaatlicher Ebene werden Anliegen verschiedenster Akteure und Interessensgruppen verhandelt. Städte haben eigene Handlungskompetenzen: Sie können konkret auf ihren Straßen, im Energie- oder im Ernährungsbereich Maßnahmen umsetzen, die zur Reduktion des CO2-Ausstoßes und zum Klimaschutz etwas beitragen“, erklärt Barbara Alder, die für C40 zuständige Fachstellenleiterin des Kantons Basel. Die Bürgermeister verschwenden ihre Zeit außerdem nicht mit fruchtlosen Diskussionen: „Es wird weder die Tatsache des Klimawandels infrage gestellt, noch debattiert, um wie viel Grad nun die Erderwärmung noch tolerabel sein könnte – das Ziel ist schlichtweg, jetzt zu handeln“, so Alder.

Was aber hat ein Großstädtchen wie Basel überhaupt im Netzwerk der globalen Megacities zu suchen? „Innovator Cities“ heißt die Überschrift, unter der auch kleinere Städte daran teilnehmen können, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. In Basel ist man vom Sinn dieses Engagements überzeugt: „Wir können unser Fachwissen erweitern und zugleich das eigene Know-how im Bereich Klimaschutz weitergeben. Eine Organisation wie C40 kann wertvolle Inputs im Sinne von „Best practice“ liefern“, so Alder.

Ins gleiche Horn stößt Sabine Lachnicht, die Heidelberger C40-Verantwortliche. Die Stadt ist dem Netzwerk ebenfalls als C40-Innovator City beigetreten. Heidelberg kooperiert heute intensiv mit chinesischen Städten bei der Weiterentwicklung von Passivhaus-Siedlungen. „Je mehr Städte dabei präsent sind, desto besser“, so Lachnicht.

Das Frauennetz im Netz

Empowerment durch ein großes Netzwerk im Hintergrund – auf diesen Effekt setzte Anne Hidalgo auch, als sie 2017 ein Netzwerk im Netzwerk ins Leben rief: „women4climate“ heißt eine C40-Initiative, die Frauen vor allem durch ein Mentoring-Programm, aber auch durch wissenschaftliche Forschung zu Gender- und Klimagerechtigkeit sowie durch Stipendien für technische Innovationen den Rücken stärkt. Die Vernetzung von Bürgermeisterinnen, Unternehmerinnen, Studentinnen, Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen soll eine neue Generation von weiblichen „climate leaders“ gezielt fördern.

Im Rahmen von women4climate arbeiten Frauen weltweit in hunderten Mentorship- und Forschungsprojekten zusammen. Junge und erfahrene Forscherinnen und Unternehmerinnen entwickeln im Rahmen des Netzwerks gemeinsam nachhaltige Lösungen in Bereichen wie Stadtplanung, Modeindustrie, Lebensmitteltechnologie oder Solarenergie, sie arbeiten an einer plastikfreien Gesellschaft, an leistbaren Passivhäusern aus Fertigteilen, biologischen Verpackungsmaterialien, der Wiederaufforstung verlorener Stadtwälder oder an effizienteren Begrünungsmaßnahmen mit lokalen Pflanzen. Sie leben und arbeiten in Tel Aviv, Sidney, Lima, Paris, Addis Abeba, London, Quito, Vancouver oder Aix-en-Provence.

Weibliche climate leaders für die Zukunft

Für sich betrachtet mag es sich dabei um hunderte kleine Maßnahmen mit lokal begrenzter Wirkung handeln. Doch dank des weltweiten Netzwerks bleiben sie nicht isoliert und entfalten ihre (Vorbild-)Wirkung auch in weit entfernten Regionen des Planeten. Die Zusammenschau zeigt: Frauen sind nicht mehr „nur“ die Opfer oder diejenigen, die sich um ihre Familien oder um das Aufräumen nach der Katastrophe kümmern müssen. Sie stellen nicht mehr „nur“ die Mehrheit der Protestierenden bei Klimastreiks. Sie arbeiten auch vorderster Front an den dringend benötigten Lösungen mit. Und auch das mächtige Städtenetz C40 selbst wird immer weiblicher. Als Anne Hidalgo 2016 Präsidentin wurde, hatten nur vier C40-Städte eine Frau als Bürgermeisterin. Heute sind es dreißig, also ein knappes Drittel der Megacities dieses Planeten, darunter Addis Abbeba, Dakar, Freetown, Nairobi, Melbourne, Tokyo, Berlin, Paris, Bogotá, Mexiko oder San Francisco. In die erste Reihe sind die dort regierenden Frauen erst im Lauf der letzten Jahre vorgerückt. Auch das hat seine innere Logik: Jahrzehntelang waren sie in der Politik mit den scheinbar nebensächlichen Umweltschutz-Agenden betraut worden, um sie von entscheidenden Ressorts fernzuhalten. Heute haben diese Frauen einen Wissens- und Know-how-Vorsprung in der zentralen Zukunftsfrage der Menschheit.

Links:

www.c40.org

www.w4c.org

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.