Umfrage zu einem Tabuthema auf derstandard.at: Wie gehen (Eltern-)Paare eigentlich mit dem Geld um?
Hier der Artikel:
Strenge Rechnung, gute Eltern?
7. Juni 2016, 10:00
Über Geld reden Paare noch weniger gern als über Sex, sagen Paartherapeuten. Vielfältig und kompliziert ist es da wie dort. Wie gehen Paare mit ihrem Geld um?
„Ich habe nachgedacht. Ich kann es mir leisten, dass meine Frau zu Hause bei den Kindern bleibt.“ So beginnt ein Artikel des Schweizer Online-Kuriositäten-Portals „LikeMag“, der jüngst in den sozialen Medien die Runde machte. Blogger Steven rechnet darin vor, was es kosten würde, sollten sich statt seiner Frau Profis um Kind und Haushalt kümmern. Er kommt zum Schluss: „Ich kann mir meine Frau gar nicht leisten.“ Zuvor schreibt er noch: „Die Wahrheit ist, dass ich mich für jedes Mal schäme, wenn sie sich durch mich schuldig gefühlt hat, weil sie etwas für sich selbst gekauft hat.“
Da schämt man sich doch gleich mit. Wie alles in Stevens Blog ist auch diese Aussage sicher nett gemeint, doch unwillkürlich greift man sich an den Kopf: Ein alleinverdienender Familienvater, den die Hausfrau und Mutti um Geld fragen muss, wenn sie sich ein T-Shirt kaufen will – leben junge Eltern im Jahr 2016 wirklich noch so?
Geld so wichtig wie Sex
„Tatsächlich ist der Umgang mit Geld neben der Sexualität eines der wichtigsten Themen in einer Partnerschaft“, erklärt der Wiener Paartherapeut Roland Bösel, der gemeinsam mit seiner Frau in den letzten fünfundzwanzig Jahren über tausend Paare begleitet hat. Er fügt hinzu: „Geld ist noch mehr tabuisiert als die Sexualität. Auch eine Verhaltensänderung fällt auf sexueller Ebene manchmal leichter als beim Geld.“ Doch eine solche „finanzielle Verhaltensänderung“ ist auch bei zuvor wirtschaftlich voneinander unabhängigen Partnern meistens unausweichlich, sobald ein Kind da ist: Es kostet nicht nur viel, sondern sorgt bei zumindest einem Elternteil einige Zeit lang auch für Gehaltseinbußen. Spätestens dann stellt sich für Eltern die Frage: Wer zahlt was mit welchem Geld? Eine Umfrage im weiteren Bekanntenkreis des Autors zeigt: So gut wie jedes Paar findet darauf eine andere Antwort. Die folgenden drei Modelle dürften aber stellvertretend für viele stehen.
Gemeinsames Konto oder Excel-Datei?
Andreas und Angela, zwei Kinder, haben ein Haushaltskonto, von dem alle Kosten fürs Familienleben bestritten werden. Da Andreas mehr verdient und Angela wegen der Kinder Teilzeit arbeitet, zahlt er einen höheren monatlichen Fixbetrag ein: Er übernimmt 65 Prozent, sie 35. Kosten, die nicht das gemeinsame Leben betreffen – etwa Kleidung, Friseur, Bücher, Öffi-Tickets – bezahlt jeder vom eigenen Konto. „Es wird aber nicht auf Heller und Pfennig abgerechnet“ sagt dazu Andreas – das käme ihnen kleinlich vor. Angelika und Stefan sehen das anders: Sie beide sind Menschen, die gerne die Kontrolle über ihre Finanzen haben. Seit ihr Kind auf der Welt ist, leben sie zusammen in Angelikas Eigentumswohnung, Stefan hat seine Mietwohnung aber nicht aufgegeben. Ein gemeinsames Konto wollen sie nicht. Wer welche Kosten für welche Wohnung übernimmt, haben sie genau ausgetüftelt. „Es kommt eh in etwa fifty-fifty heraus“, meint Angelika, „aber für uns war das richtig so.“ Sie führen eine Excel-Tabelle, in die jeder die Ausgaben fürs gemeinsame Leben eintippt, am Ende des Monats wird abgerechnet. Obwohl er mehr verdient als sie, übernimmt jeder genau die Hälfte des Betrags. „Anders käme mir das komisch vor“, meint Angelika, die Wert darauf legt, dass beide gleich viel zum gemeinsamen Leben beitragen.
Den umgekehrten Weg gehen Barbara und Michael, Eltern von zwei Kindern. Wie bei vielen Paaren arbeitet er Voll-, sie Teilzeit. Sie überweisen beide Gehälter zur Gänze aufs gemeinsame Konto, von dem sie alle Kosten fürs Familienleben bestreiten. Was übrigbleibt, teilen sie durch zwei und überweisen den Betrag am Ende des Monats auf das jeweils „private“ Konto. In ihrem Bekanntenkreis sind sie damit Exoten, was Barbara nicht aus der Ruhe bringt: „Wir sind halt nicht so aufs Geld fixiert.“ Tiefe Wunden Alle drei Paare können mit ihren jeweiligen Modellen gut leben. Therapeut Roland Bösel kennt aber auch andere Fälle. Kränkungen wegen finanzieller Fragen sitzen oft tief und kommen erst zur Sprache, wenn eine akute Krise, wegen der ein Paar Hilfe beim Therapeuten gesucht hat, am Abklingen ist. Dann erst wird klar, wie kränkend es sein kann, wenn einer nicht ins Grundbuch eingetragen wurde, oder es fallen Sätze wie: „Mich hat das so verletzt, dass du nach der Hochzeit gesagt hast, wir brauchen getrennte Konten.“
Für Bösel gilt dabei die „10 zu 90-Regel“: Nur zehn Prozent des Problems sind mit dem aktuellen Thema verbunden, der Rest mit der Biographie der beiden. Erst wenn den Partnern die existenziellen Gründe bewusst sind, die hinter der Entscheidung des jeweils anderen stehen, kann es eine Lösung geben. Patentrezepte für finanzielle Fragen gibt es ohnehin keine. Wichtig ist, dass sich keiner als Verlierer fühlt – sonst verlieren nämlich beide. (Georg Renöckl, 7.6.2016)