Eine – in der Printausgabe leider nicht als solche erschienene – Randspalte zur endlich getroffenen Entscheidung für ein Haus der Geschichte:
Was ist seit Ferienende mit Österreich los? Zuerst demonstrierte das sichtlich von sich selbst überraschte Land der Weltöffentlichkeit, dass man mit (durchreisenden) Flüchtlingen auch respektvoll umgehen kann, dann qualifizierte sich das Fussballteam mit ungekannter Souveränität und Schweizer Trainer erstmals für eine Europameisterschaft, und zu guter Letzt gab Kulturminister Josef Ostermayer tatsächlich den Startschuss für das «Haus der Geschichte Österreich [sic]». Unter der Leitung des Zeithistorikers Oliver Rathkolb soll ein neues historisches Museum, das sich mit der (Vor-)Geschichte der Republik ab dem Jahr 1848 auseinandersetzt, rechtzeitig zum 2018 anstehenden 100-Jahre-Republiksjubiläum in der Neuen Burg eröffnet werden.
«Jo dürfen s‘ denn das?», fragte Kaiser Ferdinand I. angeblich seinen Kanzler Metternich, als er 1848 der revolutionären Massen ansichtig wurde. Eine ähnliche Frage drängte sich manchem Beobachter bei der Pressekonferenz des Ministers auf: Immerhin zog Ostermayer damit einen Schlussstrich unter die beinahe zwanzigjährige Vorgeschichte des Museumsprojekts.
Die Idee dazu hatte Leon Zelman, der verstorbene Leiter des Jewish Welcome Service Vienna, bereits im Jahr 1998. Trotz breiter Zustimmung liess sich die einmal losgetretene Standortdebatte nicht mehr einfangen. Die einen favorisierten den Morzinplatz, wo einst die Gestapo ihr Hauptquartier hatte, andere das ohnehin zu entrümpelnde Heeresgeschichtliche Museum, manche wollten einen Neubau am Heldenplatz, auf der «Donauplatte» oder beim Hauptbahnhof.
Konzepte internationaler Experten wurden in Auftrag gegeben, erstellt und ohne Information der Öffentlichkeit wieder schubladisiert. Der zur Gewohnheit gewordene Argwohn, mit dem die zur ewigen Koalition verdammten Sozialdemokraten und Konservativen einander belauern, sorgte im Verbund mit stets vorschiebbaren budgetären Engpässen für das bei jedem Gedenkjahr schmerzlicher spürbare Gefühl, ein solches – dringend notwendiges – historisches Museum werde es in Österreich so schnell nicht geben.
Und dann ging es auf einmal doch: Der Kulturminister nützte die anstehende Neupositionierung des Völkerkundemuseums, um dieses zu verkleinern und den frei gewordenen Platz dem «Haus der Geschichte» zuzuschlagen. Auch die übrigen Museen in der Neuen Burg, die Hofjagd- und Rüstkammer, das Ephesosmuseum und die Sammlung alter Musikinstrumente, müssen zusammenrücken, was besonders im Fall der ebenso bedeutenden wie empfindlichen Instrumentensammlung einen Aufschrei nach sich zog.
Verstimmt sind auch die Anhänger diverser Neubauprojekte, doch steht fest: An historischem Genius Loci ist kaum ein anderer Ort in Wien so reich wie die Neue Burg, diese düster-bombastische Erweiterung der alten Habsburger-Stadtresidenz in Richtung Ringstrasse, die eigentlich nur die Hälfte des megalomanen, nie vollendeten Kaiserforums darstellt. Auch so manches Schreckgespenst dürfte noch im Gemäuer hausen, bot es doch auch die Bühne und den Balkon für die Verkündigung des «Anschlusses» Österreichs an Hitlerdeutschland vor den jubelnden Massen auf dem Heldenplatz.
Mit seinem ursprünglich als Gegenentwurf, nun als Ergänzung präsentierten «Haus der Zukunft» lieferte auch ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer einen Kreativbeitrag zur Diskussion: Mahrer schlug «als Zeichen der Leistungsfähigkeit der heimischen Holzwirtschaft» vor, einen Holzbau als «future’s corner» gegenüber der Hofburg zu errichten. Gute Idee: Man war ohnehin schon auf der Suche nach einem neuen Dauerdiskussionsthema.